Spenden

Success at federal court for Jack the pig

Law and Politics
Aktivitäten > Law and Politics > Success at federal court for Jack the pig

NetAP prozessiert erfolgreich für «Jack» bis vor Bundesgericht: Die Geschichte einer langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung über vier Instanzen gegen das Thurgauer Veterinäramt mit dem Ergebnis, dass die kantonalen Instanzen ohne gesetzliche Grundlage Jack töten und der Schweinehalterin Auflagen machen wollten, nur weil Jack eine Behinderung hatte.

Schwein Jack

Was ein Schweineleben in der Schweiz wert ist, zeigen die regelmässigen Skandale von Mastbetrieben, die obschon gravierende Mängel aufgedeckt werden, kaum je zu einer Verbesserung des Tierwohles führen. Äusserst seltene, und auch dann meistens noch angekündigte Kontrollen (heute müssten nur gerade 10% unangekündigt erfolgen), verhindern, dass Fälle von Tierquälerei sichtbar werden. Werden dennoch einmal Missstände bekannt, werden sie nicht ernsthaft verfolgt. Die mit den Kontrollen beauftragten Behörden führen für ihr eigenes Versagen vor allem einen Ressourcenmangel an. Der Fall mit «Jack» zeigt aber deutlich, dass die vorhandenen Ressourcen bewusst auch falsch eingesetzt werden. So wurden im Fall von Jack in einem Jahr gleich mehrfach unangekündigte Kontrollen durchgeführt – also in einem Fall, in dem nie Verstösse gegen das Tierschutzgesetz festgestellt werden konnten!

Jack wurde als Ferkel vom Metzger freigekauft und sollte künftig als Haustier gehalten werden. Doch das Veterinäramt Thurgau hatte andere Pläne mit dem freundlichen und lebensfrohen Schwein. Da Jack eine Behinderung hatte, war das Amt der Meinung, er müsse umgehend euthanasiert werden. Obschon eine gesetzliche Grundlage fehlte, verbiss sich das Veterinäramt Thurgau förmlich in diesen Fall und setzte alles daran, seinen Willen durchzusetzen. Es begann ein Kampf von David gegen Goliath, den die Tierhalterin unmöglich allein bestreiten konnte. Um die wichtigen juristischen Fragen für die Tiere zu klären, übernahm deshalb NetAP den Fall und prozessierte erfolgreich für «Jack» bis vor Bundesgericht.

Nebst Tierschutzbemühungen, die auf die Verbesserung der Situation vieler Tiere abzielen, setzt sich NetAP auch für einzelne, in Not geratene Tiere ein. Obwohl unter dem Aspekt der Gesamtsituation das Engagement und der damit verbundene Aufwand für ein einzelnes Tier oder eine Gruppe von Tieren wenig effizient erscheinen mag, bedeutet es für das Individuum 100%, d.h. ein Entscheid über Leben oder Tod. Zudem sind die von NetAP geretteten Tiere Botschafter ihrer Art und erzählen ihre individuelle Geschichte stellvertretend für die vielen anderen Tiere, die nicht gerettet werden können. Und gerade der Fall von Jack zeigt, wie sehr auch in unserem Land die vielzitierte Würde der Tiere mit Füssen getreten wird, wenn schon lediglich Prognosen reichen, um bereits «präventiv» die Tötung eines Lebens zu verlangen. Wenn die Ämter ihre offenbar beschränkten zeitlichen Ressourcen nicht vermehrt für die Durchführung unangekündigter Kontrollen und für Fälle einsetzen, wo Verletzungen des Tierschutzes tatsächlich vorliegen und diese Missstände entschlossen ahnden (vergleiche die Fälle Hefenhofen und Müllheim), wird sich für die Tiere nicht viel ändern. Das Veterinäramt Thurgau konzentrierte sich stattdessen mit aller Härte auf eine fürsorgliche Tierhalterin, die nur das Leben ihres Hausschweines schützen wollte, und hat sie über Jahre hinweg eingeschüchtert, mit der Tötung ihres Tieres bedroht und sie in langjährige Gerichtsprozesse gezwungen – obwohl nachweislich keine Verletzung des Tierschutzgesetzes stattgefunden hat.

Genau deshalb sind solche Einzelfälle so wichtig für den Tierschutz!

NetAP hat mit Hilfe seines Vizepräsidenten und Anwalts, Bruno Mascello, über zwei Jahre und über verschiedene kantonale Instanzen hinweg bis hin zum Bundesgericht einen wichtigen Entscheid erstritten zur Frage, ob einem behinderten Schwein das Recht auf Leben zusteht. Denn genau das macht letzten Endes den Kerngehalt eines jeden Würdebegriffs aus, und das darf im Umgang mit Tieren nie vergessen werden.

Das Veterinäramt Thurgau und das Department für Inneres und Volkswirtschaft Thurgau hatten Jack das Recht auf Leben nicht zugestehen wollen. Weil er nicht gehen konnte und vor allem, weil er deshalb irgendwann in der Zukunft leiden könnte. Dies unabhängig von der Tatsache, dass Jack keine Schmerzen aufwies, zufrieden, verspielt und lebensbejahend lebte und von seiner Tierhalterin über alles geliebt und mit Rücksicht auf seine körperliche Einschränkung bestens und nach seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend gepflegt wurde.

Die kantonalen Instanzen haben diese Tierliebe nicht verstanden oder sie ganz einfach nicht akzeptieren wollen. Vielleicht, weil alles andere das traditionelle Verständnis von Nutztieren als «blosse» Nahrungslieferanten stark verändern und damit auch die mit diesem Punkt zusammenhängende Massentierhaltung in Frage stellen würde.

Zur Geschichte von Jack

Eine Tierhalterin hatte im Sommer 2017 entschieden, vier Ferkel aus einer Mastzucht vor dem Metzger zu retten und künftig als Heimtiere zu halten. Diese wären sonst nach einer sechsmonatigen Mastdauer – nota bene bei einer Lebenserwartung für Schweine von 20 Jahren! – für die Schlachtung und Fleischgewinnung vorgesehen gewesen. Wie sich herausstellte, wurde Jack – anders als seine drei Schwestern – mit einer körperlichen Einschränkung geboren: Durch eine Verengung an der Wirbelsäule war Jack in der Funktionalität und Motorik der Hintergliedmassen eingeschränkt, d.h. es bestand eine partielle Lähmung (Paraparese), keine vollständige Lähmung (Paraplegie).

Das Veterinäramt Thurgau verfügte, nachdem es von Jack erfuhr, dass die Tierhalterin den Eber innert 30 Tagen von einem Tierarzt zu euthanasieren (einschläfern) habe, wegen einer angeblichen Verletzung des Tierschutzgesetzes. Bruno Mascello hatte für die Tierhalterin gegen diesen Entscheid beim Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau Rekurs erhoben, Beschwerde beim Verwaltungsgericht Thurgau eingereicht und gelangte, nachdem die Halterin noch weitere Auflagen erhielt, schliesslich mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Im Zusammenhang mit all diesen Verfahren hat das Veterinäramt unter anderem folgende Argumente für seinen Entscheid angeführt

Die körperliche Einschränkung von Jack (die Unfähigkeit sich selbständig auf allen vier Beinen fortzubewegen) wurde als Leiden eingestuft. Dies basiere auf der Annahme, dass eine Paraplegie erhebliche Leiden verursache, von dem man das Tier umgehend erlösen müsse.

Nur weil man körperlich nicht perfekt funktioniert, muss das nicht mit Schmerzen und Leiden verbunden sein. Dieser Beweis muss erst erbracht werden, Annahmen alleine reichen hierfür nicht.

Für Jack wurde vom Veterinäramt nicht bloss eine gesetzeskonforme Haltung verlangt, sondern eine «tiergerechte» bzw. «artgerechte» Tierhaltung. Es hatte u.a. den Vorwurf erhoben, dass der Innenbereich des Stalls mit Stroh «nur spärlich und nicht bodendeckend vorhanden» war und die Behinderung von Jack ihm kein «konventionelles Schweineleben» ermögliche bzw. ertragbar mache. Schliesslich wurde auch argumentiert, Jack könne sich nicht wie andere Schweine fortbewegen, was eine erhebliche Einschränkung darstelle und ihm ein natürliches und artgerechtes Verhalten nehme.

An diese Punkte sollte das Veterinäramt denken, wenn es künftig – hoffentlich vermehrt – die konventionellen Schweinemästereien prüft!

Das Department für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau (DIV) wies den Rekurs der Tierhalterin ab und hielt am Entscheid des Veterinäramts fest, Jack innert 30 Tagen euthanasieren zu lassen. Es erklärte unter anderem: «Die körperliche Einschränkung führt somit unweigerlich zu Stress und damit Leiden, die dann auch (psychische) Schmerzen und Schäden zur Folge haben.» Das DIV stellte fest, dass sich Jack durch die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit «nicht seinen angeborenen Lebensbedürfnissen und seiner Wesensart entsprechend» verhalten könne. «Sein Instinkt und Selbsterhaltungstrieb sind dadurch zu stark beeinträchtigt. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch psychisch leidet. Absehbare schmerzhafte körperliche Schäden werden das Leiden insgesamt noch vergrössern.»

Auch das alles Punkte, an die man das DIV künftig erinnern sollte, wenn es um die Beurteilung von konventionellen Schweinemästereien geht!

Erst auf Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau entschied dieses endlich, dass der Euthanasieentscheid aufzuheben sei, weil Jack nicht unter Schmerzen leide. Das Verwaltungsgericht stellte aber zusätzlich fest, dass der Tierhalterin Auflagen zu machen seien, «um drohende Missstände bzw. einem unnötigen Leiden von Jack präventiv entgegenzuwirken». Die Auflage bestand darin, dass die Tierhalterin durch einen vom Veterinäramt bestimmten Tierarzt auf ihre eigenen Kosten alle zwei Monate ein Gutachten zum Gesundheitszustand von Jack einreichen müsse.

Es wäre ein Einfaches und angesichts der vielen Missstände angezeigt, den Betreibern von konventionellen Nutztierhaltungen die gleichen Auflagen zu machen!

Die Würde von Jack und damit das Tierschutzgesetz werde verletzt, wenn man ihn mit dieser Behinderung weiterleben lassen würde. Zudem würden den Tieren keine selbständigen Rechte zukommen, weil sich das Tierschutzgesetz nur an die Tierhaltenden richte.

Vorschnell wird ein angeblicher Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Verletzung der Würde konstruiert. Dass man überdies das Tierschutzgesetz nur aus der Perspektive der Tierhaltenden betrachtet, ohne auf die Interessen der Tiere Rücksicht zu nehmen, für die das Tierschutzgesetz ja zum Schutz vor den sie ausbeutenden Menschen eingeführt wurde, erschreckt einmal mehr.

Das Veterinäramt stützte sich für seinen Tötungsentscheid lediglich auf eine schlechte Prognose (!) für die Zukunft. Es prognostizierte, dass Jack in Zukunft vom ständigen Rumliegen sekundäre Erkrankungen in Form von Dekubitalstellen (durch Druck verursachte Hautläsionen) kriegen würde, die schmerzhaft seien. Deshalb sei Jack bereits vorsorglich (!) von seinen möglichen künftigen Leiden zu erlösen.

Es wurden während der ganzen Zeit weder Schmerzen, Leiden oder Schäden noch Krankheiten oder Verletzungen bei Jack festgestellt! Der Tierhalterin wurden auch keine Vorwürfe betreffend eine schlechte oder ungenügende Tierhaltung gemacht. Ihr konnten weder die Missachtung ihrer Fürsorgepflichten noch eine Vernachlässigung von Jack vorgeworfen werden. Das BLV attestierte ihr, dass sie ihren Pflichten als Tierhalterin gewissenhaft nachkommt. Sie hatte Jack 2-3 Mal täglich besucht und ihn dabei ständig aktiviert und bewegt, weshalb er nie die in Aussicht gestellten Hautprobleme bekam – und damit die Prognostiker jeden Tag Lügen strafte.

Das DIV erklärte weiter, dass die Haltung von Jack nicht mit den «Haltungsbedingungen in der konventionellen Schweinemasttierhaltung» verglichen werden dürfe. Die beiden Haltungen seien nicht vergleichbar, weil im letzteren Fall «die Mastschweine bestimmungsgemäss als Nutztiere gehalten und verwertet werden.»

Es wird also bewusst mit zwei unterschiedlichen Ellen bei der Anwendung des gleichen Tierschutzgesetzes gemessen.

Das Schweizerische Bundesgericht verfügte schliesslich, dass die von der kantonalen Vorinstanz verfügte periodische Berichterstattung – wie auch die Einschläferung von Jack – eine staatliche Massnahme darstelle, die einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, die im konkreten Fall fehle. Es hielt fest, dass Jack tierschutzkonform gehalten wurde, keine tierschutzrechtlichen Verfehlungen festgestellt werden konnten und die Tierhalterin weder ihre Fürsorgepflichten missachtet noch Jack vernachlässigt habe.

Leider verstarb Jack dreijährig unerwartet am 28. Februar 2020.

Jack ist wohl das erste Schwein, das sich rühmen kann, von einem Gericht bestätigt erhalten hat, dass eine körperliche Behinderung nicht automatisch eine Euthanasie rechtfertigt. Das gilt insbesondere auch für sogenannte Mastschweine, d.h. dass auch sie nicht einfach nur als «Fleischlieferanten» anzusehen sind. Jedes Tier besitzt als Individuum die gleichen Rechte, insbesondere das Recht auf ein leidfreies Leben. Und das müssen alle Behörden respektieren. Denn das Schweizer Tierschutzgesetz dient dem Schutz des Schwachen und ist konsequent zu vollziehen.

Schlussbemerkungen

Man würde sich wünschen, dass die Veterinärämter ihre Ressourcen in echte Fälle mit zum Teil bereits mehrfach nachgewiesenen Verstössen stecken und sich dort mit dem gleichen Engagement für den gesetzmässigen und korrekten Vollzug des Tierschutzgesetzes einsetzen. Dann würde es keine tragischen Fälle mehr wie Hefenhofen (TG) und Oftringen (AG) bzw. solche wie jene in all den Schlachthäusern mehr geben. Aber solange stattdessen einer fürsorgerischen Tierhalterin ein «ideelle[s] persönliches (unfachmännisches) Verständnis von Tierwohl» vorgeworfen wird, das «nichts mit den Gegebenheiten eines tatsächlichen, in der realen Welt verankerten, Tierschutzvollzugs zu tun» hat, wird das wohl noch dauern.

All jenen, die nun einwenden mögen, dass es unverhältnismässig sei, für ein einziges Schwein so viel Aufwand zu betreiben und Kosten zu generieren sowie die Verwaltung und Gerichte zu bemühen, sei entgegnet, dass genau dieser eine Fall exemplarisch zeigt, wie der Begriff der Tierwürde in der Schweiz leider noch immer falsch verstanden und gelebt wird – zum Leidwesen der Tiere, die noch nicht einmal darauf zählen dürfen, dass das sie (!) schützende Tierschutzgesetz korrekt und konsequent vollzogen wird.

Dank

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken, die an diesem Fall mitgewirkt haben, um den Behörden ihre Grenzen im Umgang mit den Tieren zu zeigen. Zu nennen ist hier insbesondere die Tierhalterin, die Jack leben lassen wollte und sich vorbildlich um ihn gekümmert hat, die verständnisvolle Tierärztin, die sich stets für Jack eingesetzt hat, der Tierschutzverein, der Jack die Chance mit Operation und Therapie geboten hat, und natürlich unser Vizepräsident, Bruno Mascello, der letzten Endes unbeirrt vom durch die kantonalen Behörden aufgebauten Druck alle aufwändigen Gerichtsverfahren erfolgreich geführt hat und diesen wichtigen Entscheid für alle betroffenen Tiere erstritten hat.Sämtliche Kosten, die aus diesen Verfahren entstanden sind, wurden übrigens von Bruno Mascello persönlich getragen. Es wurden keine Spendengelder hierfür verwendet.

Der «Beobachter» hat über diesen Fall berichtet – vgl. Ausgabe vom 5. Juni 2020